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Pferde auf der Weide beim Laufen

Bewegungsbedürfnis und Bewegungsbedarf: Wieviel Bewegung braucht ein Pferd - mindestens?

Auf die Frage wieviel Bewegung dem Pferd gewährt werden soll, wird häufig die vage Antwort gegeben: So viel als möglich!


Weder langes Suchen im Internet, noch die Umfrage bei Reitlehrern und Pferdetherapeuten, noch die Durchsicht etlicher Pferdebücher brachten wirklich eine schlüssige Antwort. Somit möchte ich versuchen mich einer Antwort zu nähern:

Dr. Margit H. Zeitler-Feicht definiert Bewegungsbedarf wie folgt:

Unter Bewegungsbedarf versteht man die Bewegungsmenge, die erforderlich ist, um ein Pferd gesund bzw. seine Physiologie und Morphologie (z.B. Durchblutung) funktionstüchtig zu erhalten. Der Bewegungsbedarf resultiert aus der Evolution des Pferdes zum Lauf- und Fluchttier. Auf diese Art der Fortbewegung sind der Bewegungsapparat, das Herz-Kreislaufsystem, kurz alle Organsysteme seit Millionen von Jahren angepasst.
Auch heute noch ist das mehrstündige langsame Vorwärtsgehen im Schritt eine wesentliche Vorausssetzung dafür, dass ein Pferd auf Dauer physisch und psychisch gesund bleibt. [1]

Leider gibt es nur wenig ethologische Pferde-Fachliteratur bzw. Verhaltensforschung rund ums Pferd. Dr. Marthe Kiley-Worthington gehört zu den ersten anerkannten Ethologen, die sich dafür einsetzen, Tieren insgesamt eine wesensgerechte Umgebung zu schaffen. Bereits 1989 ist ihr Buch: Pferdepsyche - Pferdeverhalten (siehe rechts) erschienen.

Vor mehr als 20 Jahren schrieb Frau Kiley-Worthington:

[...] Es ist bereits gezeigt worden, daß Pferde vorrangig daran angepaßt sind, sich als leistungsfähige Spezies schnell zu bewegen und große Gebiete zu durchstreifen. Welche Auswirkungen hat es, wenn man ihre Bewegungsfreiheit einschränkt, so daß sie sich nur für kurze Zeit pro Tag richtig bewegen können? [...] Verhaltensprobleme irgendwelcher Art - Stereotypen, vermehrte Aggression, schlechtes Benehmen und eventuell fehlende Kooperationsbereitschaft. Ich habe beim Distanz- und Rennreiten gelernt, daß es unbedingt notwendig ist, daß die Pferde sich, wann immer sie wollen, frei bewegen können.[2]

Unter menschlicher Obhut unterscheidet sich der Tagesablauf der Pferde je nach Haltungsform und Nutzung mehr oder weniger stark vom natürlichen Aktivitätsrhytmus.

Haltungsform Fressen Stehen Liegen; Sonstige;
Naturnahe Bedingungen: Camarque-Pferde 60% 20% 10% 10%;
Laufstall, Stroheinstreu + Heu ad lib 57% 23% 10% 10%
Box, Stroheinstreu + Heu ad lib 47% 40% 10% 3%
Box, kein Stroh + Heu rationiert 16% 68% 16% 0%
Quelle: [1] (nach Duncan 1980, Kiley-Worthington 1989)

Das Gesamtverhalten eines Pferdes basiert auf dem

  • arttypischen Verhalten
  • rasseabhängigen Verhalten
  • und dem Individualverhalten (Erfahrungen im Laufe der Ontogenese)

Arttypisches Verhalten für Pferde sind:

  • Nahrungsaufnahme über 15 Stunden je Tag
  • Bewegung im Schritt über 15 Stunden je Tag
  • Leben in der Gruppe von Artgenossen
  • Flucht bei Gefahr in die Weite
  • Sehr gute Kälte- und Hitzeverträglichkeit

Bei statistischen Übersichten / Vergleichen zwischen naturnaher Haltung und unserer üblichen Stall-/ Auslaufhaltung ist zu beachten: Fress-Zeiten sind üblicherweise Stehzeiten - und nicht mehr wie in nährstoffarmen Gebieten mit langsamer Fortbewegung gekoppelt. Wir füttern unsere Pferde in Fress-Ständern, das Kraftfutter kommt in einen Trog und das Heu wird ebenfalls "stationär" verfüttert. Auf den üblichen Wiesen wächst das Gras (viel zu üppig) den Pferden quasi ins Maul - auch dort muss sich ein Pferd nicht mehr bewegen.

Damit wird die Schlussfolgerung von Frau Dr. Zeitler-Feicht verständlich [1]:
Unter natürlichen Lebensbedingungen bewegen sich Pferde täglich etwa 16 Stunden im Schritt vorwärts. Schnelle Gangarten sind demgegenüber selten.
Auch heute noch ist das mehrstündige langsame Vorwärtsgehen im Schritt eine wesentliche Vorausssetzung dafür, dass ein Pferd auf Dauer physisch und psychisch gesund bleibt. [1]

Unter Beachtung der oben zitierten Gedanken wird deutlich, warum wir in den letzten Jahren immer mehr Hufrehen, Pferde mit dem Metabolischem Syndrom und weitere Wohlstandserkrankungen finden. Auch die Ursache der Atemwegsprobleme und vor allem die vielen Lahmheiten werden "leider erklärbar".

Wir überlasten die Anpassungsfähigkeit unserer Pferde durch zu gutes Futter und zu wenig Bewegung.

Weitere Hinweise in der Literatur finden sich in folgendem Buch, das ebenfalls vom Verlag Eugen Ulmer herausgegeben wurde: Pferdehaltung / Herausgeber Dr. Heinrich Pirkelmann [3]

1.2.3 Bewegungsbedürfnis
Die von Wildequiden täglich zurückgelegten Strecken richten sich in erster Linie nach den ökologischen Gegebenheiten des von ihnen bewohnten Terrains. Die Häufigkeit der vorhandenen Wasserquellen spielt vor allem in Trockengebieten eine maßgebliche Rolle, da fast alle Einhufer mindestens jeden zweiten Tag saufen müssen.

Die Größe des täglichen Aktionsraumes
halbwilder New Forest-Ponys liegt zwischen 7 und 10 Quadratkilometern,
Camarquepferde sollen täglich ca. 6,
Haflinger in Gruppenhaltung etwa 3 Kilometer zurücklegen.

Nun sind weder New Forest-Ponys noch Camarquepferde und noch weniger Haflinger ausgesprochene Laufpferde. Über solch bewegungsfreudige Rassen wie etwa die Achal-Tekkiner, Araber, Angloaraber und Englische Vollblüter oder auch über leichte, hoch im Blut stehende Warmblüter (Trakehner u.ä.) sind bisher keine entsprechenden Untersuchungen angestellt worden [...]. Es bleibt nur die Vermutung, daß solche Pferde analog zu den sehr laufaktiven asiatischen Halbeseln täglich wesentlich größere Gebiete durchstreifen würden.[3]

Quellennachweis: (siehe auch Buchempfehlung rechts)
[1] Dr. Margit H. Zeitler-Feicht * Handbuch Pferdeverhalten: Ursache, Therapie und Porphylaxe von Problemverhalten
[2] Dr. Marthe Kiley-Worthington * Pferdepsyche - Pferdeverhalten / 1. Auflage 1989
[3] Dr. Heinrich Prikelmann (Herausgeber) * Pferdehaltung: Verhalten, Arbeitswirtschaft, Ställe, Fütterung und Krankheiten 2. Auflage 1991